Tag 4: Ticket-Krisen und Müdigkeit
Es ist jetzt viertel nach neun. Vor dreieinhalb Stunden bin ich aus dem Bett gefallen, um möglichst früh in der Schlange zu stehen und gute Karten für morgen abzustauben - History of Fear und besonders danach Nymphomaniac. Vor etwa zweieinhalb Stunden sind wir am Potsdamer Platz angekommen und haben uns, etwas weiter hinten als gestern zu den Wartenden hinzugesellt, nachdem wir eine Ewigkeit auf die S-Bahn warten mussten. Vor etwa einer dreiviertel Stunde haben wir erfahren, dass wir zu spät dran waren: Nymphomaniac um 21:30, leider alle Tickets schon weg. “FUUCK!” - fünf Leute um mich herum fahren erschrocken zusammen, die Leute an den Schaltern drehen sich nach mir um. Anscheinend sind alle zu müde oder routiniert für emotionale Reaktionen. Ich nicht; ich bin stinksauer und frustriert.
Erster herber Rückschlag bei der Ticketvergabe; schnell umdisponiert, nächsten Sonntag hat man nochmal eine Chance, dann eben schon um kurz nach 6 da sein, noch früher aufstehen, einfach mal nicht duschen (das Frühstück essen wir seit Tag 2 bereits in der Schlange). Scheißtag. Jetzt brauch ich gute Filme, um mich wieder hochzuziehen.
Sven
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OHHH ja, der vierte tag ist bisher eindeutig der härteste. Nicht nur wegen des Rückschlages bei der Ticketvergabe: Die masochistische Dimension der Berlinale macht sich spätestens heute so richtig bemerkbar. Nachdem ich gestern spät abends noch von meinem Privileg Gebrauch gemacht habe, als einziger von uns “Snowpiercer” sehen zu dürfen, hab ich mit nur ca. 4 Stunden Schlaf meine vorhergehenden Schlafminima seit Beginn des Festivals unterboten und bin damit heute endgültig an sämtlichen Limits angelangt. Kaffee und Mate helfen auch nicht mehr so richtig.
Meine “Sinuskurve” (Sven), zwischen Ups und Downs meines Energielevels, wird immer flacher. Ein gutes wenigstens hat der Freizeitstress der letzten Tage (oder sagen wir lieber: Nächte, schließlich kann man als Geisteswissenschaftler, die Zeit zwischen 6 und 10 noch nicht wirklich als ‘Tag’ bezeichnen) - ein gutes jedenfalls gibt es: Meine Selbstüberforderung hat die aufkeimende Angina übertrumpft/überdeckt/in die Flucht geschlagen, die sich ausgerechnet zu Festivalbeginn bei mir einnisten wollte. Mhm, statt der Krankheit wird mich wohl dann die Erschöpfung, nicht ans Bett sondern in den Kinosessel fesseln.
Und dabei bin ich mir nicht mal sicher, ob sich diese letzte kurze Nachtruhe überhaupt gelohnt hat: Einerseits ihre frühe Unterbrechung, wegen des Nymphomaniac-Reinfalls (aber dafür schauen wir morgen dann ‘Zeit der Kannibalen’, da bin ich auch heiß drauf: klingt stark nach deutscher Kapitalismuskritik im schwarzhumorigen Gewand, yeah!); andererseits, weil ‘Snowpiecer’ mich nicht wirklich umgehauen - oder besser: nicht wirklich reingezogen hat (aber dazu gleich mehr, hier: …). Und das sag ich nicht bloß, um Jürgen zu trösten…
Egal, der erste Film dieses Tages hat uns alle wieder fröhlich gemacht und neuen Schwung gegeben - bereits hier eine absolute Empfehlung, merkt euch diesen Namen: ‘Love Steaks’ von Jakob Lass. Schon wieder ein Absolventenfilm der HFF Potsdam! Es scheint fast, als würden wir aus dieser Ecke die größten und besten Überraschungen erleben auf dieser Berlinale… Fazit und Selbstnotiz: Mehr Beiträge aus der GermanCinema-Reihe gucken!
Conni
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Ich bin auch müde.
Jürgen